Die Richtlinie 2013/34/EU vom 26.06.2013, modifiziert durch Richtlinie 2014/95/EU vom 22.10.2014, enthält in Art. 19 a, Unterabsatz 4, eine Umsetzungsoption, die es den Mitgliedstaaten ermöglicht, Adressaten der Pflicht zur Abgabe von nichtfinanziellen Erklärungen das Weglassen bestimmter nachteiliger Angaben zu gestatten.

In Art. 19 a, Unterabsatz 4, der Richtlinie 2014/95/EU heißt es:

Die Mitgliedstaaten können gestatten, dass Informationen über künftige Entwicklungen oder Belange, über die Verhandlungen geführt werden, in Ausnahmefällen weggelassen werden, wenn eine solche Angabe nach der ordnungsgemäß begründeten Einschätzung der Mitglieder der Verwaltungs-, Leitungs- und Aufsichtsorgane, die im Rahmen der ihnen durch einzelstaatliche Rechtsvorschriften übertragenen Zuständigkeiten handeln und gemeinsam für diese Einschätzung zuständig sind, der Geschäftslage des Unternehmens ernsthaft schaden würde, sofern eine solche Nichtaufnahme ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes und ausgewogenes Verständnis des Geschäftsverlaufs, des Geschäftsergebnisses, der Lage des Unternehmens sowie der Auswirkungen seiner Tätigkeit nicht verhindert.

Von dieser Umsetzungsoption hat der deutsche Gesetzgeber bei der Umsetzung der Richtlinie in § 289e HGB Gebrauch gemacht. Die Regelung ist dabei als Adressatenwahlrecht ausgestaltet und überlässt es dem Unternehmen zu entscheiden, ob es bei Vorliegen der Voraussetzungen in § 289e Abs. 1 Nr. 1 und 2 HGB von einer Veröffentlichung bestimmter Angaben in der nichtfinanziellen Erklärung absieht. Die Sachverhalte, zu denen ausnahmsweise keine Angaben in der nichtfinanziellen Erklärung gemacht werden müssen, sind begrenzt auf Angaben zu künftigen Entwicklungen oder Belangen, über die Verhandlungen geführt werden. Ferner müssen die Voraussetzungen der § 289e Abs. 1 Nr. 1 und 2 vorliegen.

Nach § 289e Abs. 1 Nr. 1 HGB ist es zunächst erforderlich, dass die Angaben nach vernünftiger kaufmännischer Beurteilung der Mitglieder des vertretungsberechtigten Organs der Gesellschaft geeignet sind, der Gesellschaft einen erheblichen Nachteil zuzufügen. Der Tatbestand ist weiter gefasst als in Art. 19 a, Unterabsatz 4, 2014/95/EU, wo auf einen ernsthaften Schaden für die Geschäftslage des Unternehmens abgestellt wird. Während ein ernsthafter Schaden für die Geschäftslage wohl immer auch einen erheblichen Nachteil für die Gesellschaft begründen wird, so sind doch auch Sachverhalte denkbar, die zwar einen erheblichen Nachteil für die Gesellschaft aber nicht zwingend zugleich einen ernsthaften Schaden für die Geschäftslage des Unternehmens darstellen.

Im Regierungsentwurf wird die Formulierung mit dem Verweis auf die englische Fassung der Richtlinie 2013/34/EU begründet. Dort heißt es: „Member States may allow information relating to impending developments or matters in the course of negotiation to be omitted in exceptional cases where, […] the disclosure of such information would be seriously prejudicial to the commercial position of the undertaking“. Zwar lässt sich „seriously prejudicial“ gut mit „ernsthaft nachteilig“ übersetzen, jedoch fehlt in der Umsetzung der Bezug auf die Geschäftslage und damit die Konkretisierung zur Art des Nachteils. In Zweifelsfällen ist bei der Anwendung von § 289e Abs. 1 Nr. 1 HGB auf eine restriktive und richtlinienkonforme Auslegung zu achten. Für die Entscheidung zuständig ist das jeweils vertretungsberechtigte Organ der Kapitalgesellschaft, also in der Regel der Vorstand oder die Geschäftsführung.

Nach der Regelung in § 289e Abs. 1 Nr. 2 HGB ist das Weglassen von Angaben in der nichtfinanziellen Erklärung nur zulässig, sofern dadurch ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes und ausgewogenes Verständnis des Geschäftsverlaufs, des Geschäftsergebnisses, der Lage der Kapitalgesellschaft und der Auswirkungen ihrer Tätigkeit nicht verhindert wird. Mit der Regelung soll sichergestellt werden, dass die nichtfinanzielle Erklärung trotz Verzicht auf die Angabe bestimmter nachteiliger Informationen ein ausgewogenes, nachvollziehbares und plausibles Gesamtbild vom Unternehmen und dessen Geschäftslauf darstellt.

Informations- und Offenlegungspflichten, die auf anderen Rechtsgrundlagen beruhen, werden von § 289e Abs. 1 HGB nicht berührt.

Sofern von § 289e Abs. 1 HGB Gebrauch gemacht und von der Aufnahme bestimmter Angaben in die nichtfinanzielle Erklärung abgesehen wird und der Grund für die Nichtaufnahme der Angaben später wegfällt, so sind die entsprechenden Angaben gemäß § 289e Abs. 2 HGB in die nächste zu erstellende nichtfinanzielle Erklärung aufzunehmen. Hierdurch soll ein Unterlaufen der Berichtspflichten verhindert werden. Andererseits stellt sich die Frage, wann eine Angabe, die zu einem bestimmten Zeitpunkt geeignet war, dem Unternehmen einen erheblichen Nachteil zuzufügen, diese Eigenschaft verliert.

 

© 2021 Christian Feierabend