Verschwiegenheitsvereinbarungen im Vertriebsrecht

Verschwiegenheitsvereinbarungen oder Non-Disclosure-Agreements (kurz: NDA) sind ein weit verbreitetes Mittel, um die Verbreitung von Informationen bei der Anbahnung einer geschäftlichen Beziehung oder deren Vollzug zu kontrollieren und zu beschränken. Der Beitrag betrachtet einige  Aspekte, die bei der Gestaltung von Verschwiegenheitsvereinbarungen, wie sie im Vertriebsbereich häufig anzutreffen sind, beachtet werden sollten.

Hinweis: Dieser Beitrag beschäftigt sich mit Geheimhaltungs- und Verschwiegenheitsvereinbarungen im vertriebsrechtlichen Kontext. Für einen allgemeinen Einstieg in das Thema verweise ich auf meinen Praxisleitfaden für die Gestaltung und Verwendung von Geheimhaltungsvereinbarungen.

Während immaterielle Rechtsgüter, wie Patent- Urheber oder Markenrechte, schon aus sich heraus rechtlichen Schutz genießen, ist dies bei bestimmten rechtsgeschäftlichen oder kreativen Informationen aufgrund des Numerus Clausus der Immaterialgüterrechte nicht der Fall. Dies betrifft insbesondere Informationen  im rechtgeschäftlichen Verkehr (z.B. gerichtet auf Anbahnung oder Durchführung eines bestimmten Geschäfts) und den kreativen Bereich (z.B. Idee oder Konzeption für ein Werk oder eine technische Lösung unterhalb der für ein Urheber- oder Patentrecht erforderlichen Schwelle). Verhandlungen über solche Gegenstände erfordern regelmäßig die Offenlegung der Idee und sofern diese im Augenblick ihrer Offenlegung aus ihrer Natur heraus keinen Schutz genießt, liegt es im Interesse der Beteiligten, offengelegte Informationen durch eine besondere Vereinbarung zu schützen.

 

1. Erforderlichkeit einer Verschwiegenheitsvereinbarung

Der Abschluss einer Verschwiegenheitsvereinbarung ist stets erforderlich, wenn zur Anbahnung oder Durchführung eines Rechtsgeschäfts die Offenlegung von Informationen erforderlich wird, die einen nicht unerheblichen wirtschaftlichen die ideellen Wert besitzen und die nicht anderweitig oder nicht hinreichend rechtlich geschützt sind. Diese Kriterien werden im Vertriebsbereich häufig vorliegen.

 

2. Ausreichende Strafbewehrung

Eine ausreichende Strafbewehrung von Verstößen gegen die Verschwiegenheitspflicht ist grundsätzlich empfehlenswert und wird in der Regel mittels einer Vertragsstrafe realisiert. Durch diese Konstruktion muss der Gläubiger den Schaden, der ihm durch die Verletzung der Verschwiegenheitsverpflichtung entsteht, nicht summenmäßig nachweisen, was gegebenenfalls im Hinblick auf hohe Hürden bei der Darlegungs- und Beweispflichten im gerichtlichen Verfahren problematisch sein kann. Die Geltendmachung eines überschießenden Schadens, also eines Schadens, der die Höhe der festgesetzten Vertragsstrafe übersteigt, bleibt in der Regel vorbehalten.

Ist die Verschwiegenheitsvereinbarung als allgemeine Geschäftsbedingung nach den §§ 305 ff. BGB einzuordnen, so ist eine der pauschale summenmäßige Bezifferung der Vertragsstrafe häufig nach § 309 Nr. 6 BGB unwirksam. Als allgemeine Geschäftsbedingung kann eine Verschwiegenheitsvereinbarung schon dann angesehen werden, wenn sie vorformuliert ist und eine mehrfache Nutzung zumindest angedacht ist. Dabei ist es unbeachtlich, ob Teile der Vereinbarung vor der Anwendung, wie im Falle einer Verschwiegenheitsvereinbarung Angaben zu den Vertragsparteien, den Gegenstand der Verschwiegenheitspflicht oder die Höhe der Vertragsstrafe, vor der Verwendung angepasst werden. Sofern die Verschwiegenheitsvereinbarung in den Anwendungsbereich der §§ 305 ff. BGB fällt, sollte daher statt auf eine summenmäßig pauschalisierte Vertragsstrafe, auf den Hamburger Brauch zur Bezifferung der Vertragsstrafe zurückgegriffen werden.

Alternativ können die Verschwiegenheitspflichten samt Rechtsfolgenregelung für deren Verletzung, auch als  Hauptleistungspflicht behandelt werden. Bei sorgfältiger Berücksichtigung bei der Vertragsanbahnung, ist auf diesem Wege auch wieder eine Pauschalisierung der Vertragsstrafe möglich.

 

3. Besonderheiten bei Verschwiegenheitsvereinbarungen im internationalen Vertriebsrecht

Sofern mindestens ein Vertragspartner seinen Sitz in einem anderen Land hat, sollte bei der Gestaltung der Verschwiegenheitsvereinbarung auch an Rechtsverfolgungshürden gedacht werden, die sich aus dem internationalen Zivil- und Prozessrecht ergeben können. Zur Sicherstellung der prozessualen Durchsetzbarkeit der Verschwiegenheitsvereinbarung, sollten die Regelungen zum anwendbaren Recht und der Gerichtsbarkeit treffen.

Es sollte zusätzlich darauf geachtet werden, dass der andere Teil über vermögenswerte Güter in diesem Staat verfügt. Das dürfte immer dann der Fall sein, sofern der andere Teil über ein Tochterunternehmen oder eine selbstständige Niederlassung im Vertragsstaat agiert, die über eigene Vermögenswerte verfügen, die im Zweifel dem Zugriff des Gläubigers unterliegen. Während auf Vermögenswerte innerhalb der EU dank weitreichender Harmonisierung des Rechts in der Regel mit vertretbarem Aufwand zugegriffen werden kann, ist  dies  bei Vermögenswerten, die in anderen Teilen der Welt belegen sind, mitunter problematisch.

Handlungsempfehlung: Sollen sehr wertvolle Informationen offengelegt werden und weißt die Verschwiegenheitsverpflichtung eine entsprechend hohe Strafbewehrung auf, so ist unbedingt vorab zu prüfen, ob der Vertragspartner über hinreichende Vermögenswerte verfügt und mit welchem Aufwand ein Zugriff auf diese Vermögenswerte nach den Regeln des internationalen Zivilprozess- und Privatrechts möglich ist.

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