Bei der Ausgestaltung der Regelungen für einen internationalen Vertriebsvertrag genießen die Parteien grundsätzlich viele Freiheiten. Dank dieser Flexibilität ist der Vertriebsvertrag ein sehr flexibles Instrument, mit dem eine Vielzahl verschiedener Absatzbeziehungen rechtlich abgebildet werden kann. Gleichwohl gelten auch bei der Gestaltung von Vertriebsverträgen bestimmte rechtliche Grenzen. Nicht alles, was vereinbart werden kann, darf auch vereinbart werden. Die Grenzen des rechtlich Zulässigen schlagen sich insbesondere in wettbewerbsrechtlich unzulässigen Regelungen wieder.
Für vertikale Vertriebsvereinbarungen, also Absatzbeziehungen bei denen die Beteiligten auf verschiedenen wirtschaftlichen Stufen stehen (z.B. Absatzbeziehungen zwischen einem Hersteller und einem Großhändler oder zwischen zwei Händlern auf verschiedene Absatzstufen), ist die Vertikal-GVO (VERORDNUNG (EU) 2022/720 DER KOMMISSION vom 10. Mai 2022 über die Anwendung des Artikels 101 Absatz 3 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union auf Gruppen von vertikalen Vereinbarungen und abgestimmten Verhaltensweisen) von besondere Bedeutung.
Bedeutung der Vertikal-GVO für den Vertriebsvertrag
Ziel der Vertikal-GVO ist der Schutz des freien Wettbewerbs und die Verhinderung von Strukturen und Verhaltensweisen, die eine Beschränkung des Wettbewerbs bezwecken oder verursachen. Bestimmte Vereinbarungen und Regelungen, die wettbewerbsbeschränkend wirken können, werden von der Vertikal-GVO mit einem Verbot belegt. Die Verbote gelten aber nicht ausnahmslos. Für viele verbotene Beschränkungen kommt eine Freistellung – also Ausnahme vom Verbot – in Betracht. Die Freistellung von Beschränkungen steht dabei unter verschiedenen Bedingungen. Neben Umsatzschwellen und Marktanteilen der beteiligten Unternehmen kommt es noch auf die konkrete vertragliche Ausgestaltung der Vertriebsbeziehung an.
Übersicht zu verbotenen Klauseln im Vertriebsvertrag
Im Folgenden wird ein nicht abschließender Überblick zu verbotenen Klauseln gegeben. Es wird jeweils von der Anwendbarkeit des EU Wettbewerbsrechts, insbesondere des § 101 AEUV ausgegangen. Einige Beschränkungen können jedoch bei Erfüllung bestimmter Bedingungen vom Verbot freigestellt werden.
1. Vorgabe von Verkaufspreisen im Vertriebsvertrag
Unzulässig ist in einem Vertriebsvertrag die Vorgabe der Verkaufspreise für den Abnehmer. Dies gilt auch für indirekte Maßnahmen, die den Abnehmer in seiner Möglichkeit zur freien Festlegung des Verkaufspreises beschränken. Insbesondere unzulässig ist die Vorgabe von Mindestverkaufspreisen.
Unter bestimmten Umständen zulässig ist hingegen die Festsetzung von Höchstverkaufspreisen oder die Vorgabe von (unverbindlichen) Preisempfehlungen. Zulässig sind Höchstverkaufspreise und Preisempfehlungen aber nur dann, wenn diese für den Abnehmer nicht eine Zwang- oder Rückwirkung bei der autonomen Festlegung seiner Preise entfalten und tatsächlich wie Mindest- oder Festpreise wirken.
2. Bestimmte Wettbewerbsverbote im Vertriebsvertrag
Unzulässig und auch nicht freistellungsfähig sind Wettbewerbsverbote im Vertriebsvertrag, deren Dauer unbestimmt ist oder die eine Dauer von 5 Jahren überschreitet.
3. Nachvertragliche Beschränkungen des Abnehmers
Grundsätzlich unzulässig und ebenfalls nicht freistellungsfähig sind Regelungen, die den Abnehmer verpflichten, nach Beendigung des Vertriebsvertrages bestimmte Waren oder Dienstleistungen nicht herzustellen, zu beziehen oder zu verkaufen. Gleichwohl enthält Artikel 5 Abs. 3 Vertikal-GVO strenge Bedingungen für eine Ausnahme, die eine entsprechende Verpflichtung des Abnehmers in engen Grenzen ermöglicht.
4. Beschränkung der Nutzung des Internets als Absatzkanal
Unzulässig und unwirksam sind Regelungen in einem Vertriebsvertrag, welche die wirksame Nutzung des Internets durch den Abnehmer zum Verkauf der gegenständlichen Waren oder Dienstleistungen verhindern. Im Vertriebsvertrag zulässig sind hingegen Vorgaben für den Abnehmer, die lediglich gewisse Beschränkungen für den Online-Verkauf enthalten, diesen aber nicht effektiv verhindern. Ebenfalls zulässig sind Vorgaben zur Online-Werbung, auch wenn diese beschränkend wirken. Dies gilt allerdings nur dann, sofern die Beschränkungen der Online-Werbung im Vertriebsvertrag nicht darauf abzielen, Online-Werbung als Instrument der Absatzförderung allgemein zu verhindern.
5. Beschränkung des passiven Verkaufes von Waren und Dienstleistungen
Unzulässig, wenn auch mit einigen Ausnahmen, ist auch das Verbot des passiven Verkaufs von Waren und Dienstleistung
Rechtliche Folge nicht freigestellter Beschränkungen
Enthält der Vertriebsvertrag nicht freistellbare Beschränkungen oder Beschränkungen, für deren Freistellung die erforderlichen Voraussetzungen nicht vorliegen, so ist die Regelung nach § 101 Abs. 2 AEUV nichtig. Neben weiteren Rechtsfolgen kann die Nichtigkeit für betroffene Unternehmen unter anderem einen Schadensersatzanspruch gegen den Vertragspartner nach § 823 Abs. 2 BGB begründen.