Der Beitrag widmet sich der immer wieder in Praxis relevanten Frage, unter welchen Voraussetzungen Handlungen eines zur Vertriebsorganisation gehörenden Handelsvertreters dem Unternehmen zuzurechnen sind und wann eine Eigenhaftung des Handelsvertreters besteht.

Kurz zur Ausgangslage: Der Handelsvertreter nimmt rechtstechnisch zumeist die Rolle eines Vermittlers ein, der Rechtsgeschäfte zwischen einem Unternehmer, zu dessen Vertriebsorganisation er gehört, und einem Dritten anbahnt und Vermittelt. Häufig handelt der Handelsverkehr in der Praxis zusätzlich noch als Abschlussvertreter des Unternehmers. In diesem Fall gibt der Handelsvertreter im Rahmen einer Vollmacht die für den Vertragsschluss mit dem Dritten erforderlichen rechtsgeschäftlichen Erklärungen für den Unternehmer ab. In vertraglicher Beziehung steht der Handelsvertreter dabei nur zum Unternehmer (Innenverhältnis), nicht jedoch zum Dritten (Außenverhältnis).

Haftung des Unternehmers für den Handelsvertreter

Der Handelsvertreter wird vom Unternehmer als Werkzeug für seinen Absatz eingesetzt. Der Unternehmer muss sich daher grundsätzlich die Handlungen des Handelsvertreters und dessen Wissen zurechnen lassen. Juristisch begründet wird diese Haftungszurechnung mit der analogen Anwendung des § 166 BGB. Sofern der Handelsvertreter als Abschlussvertreter handelt, gilt im Verhältnis zum Unternehmer für die Zurechnung von Wissen und Nichtwissen ohnehin § 166 BGB in unmittelbarer Anwendung.

Ferner kommt eine Haftung des Unternehmers für Handlungen des Handelsvertreters nach den allgemeinen Regeln über die Zurechnung von Hilfspersonen und Erfüllungsgehilfen nach § 278 BGB in Betracht. So haftet beispielsweise ein Finanzdienstleister gegenüber Kunden für Schäden, die diesen durch die Veruntreuung von Zertifikaten und Fondsanteilen durch einen zur Vertriebsorganisation gehörenden Handelsvertreter entstehen. Im Hinblick auf die Vertragsgestaltung relevant ist hier § 278 Abs. 1 S. 2 BGB, der zumindest einen Haftungsausschluss für vorsätzliches Handeln des Erfüllungsgehilfen erlaubt. Zu beachten sind in diesem Zusammenhang allerdings Einschränkungen aus dem Bereich der §§ 305 ff. BGB, hier insbesondere durch § 309 Nr. 7b BGB.

Ferner kommt auch eine Haftungszurechnung nach § 831 BGB in Betracht. Relevant sind in diesem Zusammenhang insbesondere Rechtsverletzung im Zusammenhang mit der Verletzung eines Schutzgesetzes im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB.

Haftung für Handelsvertreter im Kartell- und Wettbewerbsrecht

Die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen Handlungen eines Handelsvertreters einem Unternehmen zurechenbar sind und eine Haftung für diesen begründen, wird regelmäßig im Zusammenhang mit Sachverhalten aus dem Kartell- und Wettbewerbsrecht diskutiert.

Für eine weite Auslegung des Unternehmensbegriffes, wird immer wieder § 81 Abs. 4 GWB herangezogen, der für die Berechnung von Bußgeldern auf den Umsatz der „wirtschaftlichen Einheit“ abstellt:

“ […] Bei der Ermittlung des Gesamtumsatzes ist der weltweite Umsatz aller natürlichen und juristischen Personen sowie Personenvereinigungen zugrunde zu legen, die als wirtschaftliche Einheit operieren. […]“

In der Rechtsprechung des europäischen Gerichtshofs wird der Handelsvertreter als Teil der wirtschaftliche Einheit des Unternehmers gesehen (EuG, Az.: T-418/10, Voestalpine). Der europäische Gerichtshof begründet diese Risikozuordnung damit, dass der Handelsvertreter im Auftrag des Unternehmers tätig ist und kein eigenes wirtschaftliches Risiko trägt. Selbst ein erhebliches Fehlverhalten des Handelsvertreters (in der Sache Voestalpin vertragswidrige Doppelvertretung) soll an dieser Risikozuordnung nichts ändern. Die Rechtsauffassung des EuG sollte im Rahmen der der kartell- und wettbewerbsrechtlichen Risikoeinschätzung unbedingt beachtet werden.

Eigene Haftung des Handelsvertreters

In bestimmten Fällen kann der Handelsvertreter auch selbst gegenüber dem Dritten haften. Eine eigene Haftung des Handelsvertreters gegenüber dem Dritten unter dem Gesichtspunkt des Verschuldens bei Vertragsverhandlung kommt zum Beispiel dann in Betracht, wenn der Handelsvertreter besonderes Vertrauen des Dritten in Anspruch nimmt, als Sachwalter handelt oder eigene Gewähr für vertragliche Leistungen der Unternehmers übernimmt. Nicht ausreichend ist hingegen ein rein abschlussorientiertes Verhalten des Handelsvertreters sowie die Einbringung von eigner Sachkunde. Ferner haftet ein Handelsvertreter, der Verträge ohne die erforderliche Bevollmächtigung schließt, dem Kunden aus § 179 Abs. 1 BGB wahlweise auf Erfüllung des Vertrags oder auf Schadensersatz.

Christian Feierabend

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Internationales Wirtschaftsrecht
10 Jahre Berufserfahrung im Vertriebsrecht und Handelsvertreterrecht

Schwerpunkte:

  • Handelsvertretervertragsrecht, insb. Gestaltung und Prüfung von Handelsvertreterverträgen
  • Provisions- und Abfindungsansprüche des Handelsvertreters
  • Handelsvertreter außerhalb des europäischen Binnenmarktes

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