Zum Umgang mit Vertraulichkeits- und Geheimhaltungsvereinbarungen im Rechtsverkehr.
Reden ist Silber, Schweigen ist Gold. Wie aber kann im modern Rechtsverkehr sichergestellt werden, dass tatsächlich geschwiegen wird und offen gelegte sensible Informationen, wie etwa Geschäftsgeheimnisse, Kundenkontakte, Ideen oder technische Spezifikationen, tatsächlich nur für den vereinbarten Zwecks genutzt und nicht anschließend weitergetragen werden? In der Rechtspraxis weit verbreitet ist zu diesem Zweck der Abschluss von Geheimhaltungsvereinbarungen (auch Verschwiegenheitsvereinbarungen, Vertraulichkeitsvereinbarungen oder non disclosure agreements). Dabei handelt es sich meistens um eine schuldrechtliche Vereinbarung, durch die sich die Beteiligten dazu verpflichten, bestimmte Informationen ausschließlich zu den in der Vereinbarung genannten Zwecken zu verwenden, sie im Übrigen geheim zu halten und nicht Dritten, also allen Personen die nicht Partei der Geheimhaltungsvereinbarung sind, zugänglich zu machen.
Je nach Anwendungszweck enthält die Geheimhaltungsvereinbarung noch weitere Regelungen, wie zum Beispiel:
- Haftung für die offenbarten Informationen;
- Verpflichtung zu technischen oder organisatorischen Schutzvorkehrungen für offenbarte Informationen;
- Genaue Benennung des Personenkreises, denen im Rahmen der Geheimhaltungsvereinbarung offenbarte Informationen zugänglich gemacht werden dürfen;
- Bestimmungen zu Haftungsmaßstäben;
- Vertragsstrafen;
- Bestimmung des auf die Geheimhaltungsvereinbarung anwendbaren Rechts;
Dieser Beitrag erläutert eine Reihe von in der Praxis relevanten Fragestellungen im Zusammenhang mit Geheimhaltungsvereinbarungen, die nach meiner Erfahrung besonders fehleranfällig sind. Die Gründe hierfür liegen zumeist in einer unzureichenden juristischen Befassung mit den rechtsgeschäftlichen Aspekten der Geheimhaltungsvereinbarung
Rechtliche Grundlagen
Rechtsgeschäftliche Natur der Geheimhaltungsvereinbarung
Eine Geheimhaltungsvereinbarung ist eine rechtsgeschäftliche Vereinbarung, die nach den allgemeinen Regelungen des BGB zustande kommt. Im Folgenden setze ich voraus, dass die Geheimhaltungsvereinbarung tatsächlich dem BGB als dem anwendbaren Sachrecht unterliegt. In der Praxis ist das nicht selbstverständlich. Insbesondere in den Bereichen Vertrieb und Forschung kommt es häufig vor, dass die Beteiligten ihren Sitz in unterschiedlichen Ländern haben. Wird dann keine Wahl zu dem auf die Geheimhaltungsvereinbarung anwendbaren Recht getroffen, so kann es schnell zu unangenehmen Überraschungen kommen. Zu dem auf die Geheimhaltungsvereinbarung anwendbaren Recht finden sich weiter unten noch weitere Erläuterungen.
Nach den §§ 145 ff. BGB kommen Verträge durch zwei korrespondierende Willenserklärungen (Angebot und Annahme) zustande. Es ist also ein Konsens der Beteiligten über die zu treffende Regelung erforderlich. Nichts anderes gilt für Geheimhaltungsvereinbarungen. Ohne die Zustimmung aller Beteiligten kann keine wirksame Vereinbarung über Verschwiegenheits- und Geheimhaltungspflichten getroffen werden. Ferner kann eine Geheimhaltungsvereinbarung grundsätzlich erst dann rechtliche Wirkung entfalten – also einen oder beide Vertragspartner zur Verschwiegenheit verpflichten – nachdem die Vereinbarung wirksam zustande gekommen ist. Hier kommt es in der Praxis gelegentlich zu Fehlern. So werden Geheimhaltungsvereinbarungen gelegentlich als einseitige Handlungsaufforderungen gehandhabt, die den anderen Partner zu einem bestimmten Verhalten auffordern oder es wird nicht darauf geachtet, ob eine die Geheimhaltungsvereinbarungen überhaupt wirksam vom Vertragspartner angenommen wurde.
Praxishinweise:
- Alle Parteien, für die sich aus der Geheimhaltungsvereinbarung Rechte oder Pflichten ergeben sollen, müssen der Vereinbarung zustimmen.
- Die Vereinbarung sollte vor der Offenbarung der schutzwürdigen Informationen abgeschlossen werden.
- Es ist darauf zu achten, dass für jeden Vertragspartner eine ausreichend bevollmächtigte Person die Zustimmung zum Abschluss der Geheimhaltungsvereinbarung erteilt. Im Falle einer unzureichenden Bevollmächtigung kann die Vereinbarung nicht wirksam zwischen den Parteien Zustandekommen. Im Zweifel ist zu prüfen, ob die für den Vertragspartner handelnde Person hinreichend bevollmächtigt ist. Dieses Problem stellt sich in der Praxis zumeist bei rechtsgeschäftlich oder organschaftlich vertretenen Kapitalgesellschaften. Sofern auf das Vollmachtstatut deutsche Sachrecht anwendbar ist, wird man mit den Figuren der Anscheins- und Duldungsvollmacht häufig noch zu einer wirksamen Bevollmächtigung kommen.
Form
Für Geheimhaltungsvereinbarungen schreibt das Gesetz grundsätzlich keine besondere Form vor. Daher können Geheimhaltungsvereinbarungen auch formlos geschlossen werden. Empfehlenswert ist dies jedoch nicht. Schon aus Gründen der Nachweisbarkeit des Abschlusses und des Inhaltes der Geheimhaltungsvereinbarung, sollte die Vereinbarung mindestens in Textform geschlossen werden. Im Hinblick auf die oben erwähnte Bevollmächtigungsproblematik ist es zudem empfehlenswert, die handelnden Personen namentlich zu nennen und die Vereinbarung unterschreiben zu lassen.
Anwendung von AGB-Recht auf Geheimhaltungsvereinbarungen
Vorformulierte vertragliche Vereinbarung, die vom Verwender, also dem Verfasser der Vereinbarung, zur mehrmaligen Verwendung gedacht ist und dem Vertragspartner gestellt, also nicht in Gänze zur individuell ausverhandelt wird, werden als allgemeine Geschäftsbedingungen im Sinne des § 305 Abs. 1 BGB qualifiziert. Auf solche vorformulierten Vertragswerke finden die §§ 305 ff. BGB Anwendungen, die zu teilweise erheblichen Einschränkungen in de vertraglichen Gestaltung von Geheimhaltungsvereinbarungen führen können. Diese Einschränkungen betreffen in erster Linie Formularverträge, die zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher geschlossen werden, gelten jedoch nach § 310 Abs. 1 S. 2 BGB auch für vorformulierte Verträge im unternehmerischen Geschäftsverkehr in vielen Fällen entsprechend.
Schranken bei der Gestaltung von vorformulierten Geheimhaltungsvereinbarungen
Wie bereits dargelegt, unterliegen formularvertraglich abgefasste Geheimhaltungsvereinbarungen einer ganzen Reihe von Beschränkungen, die sich aus den §§ 305 ff. BGB ergeben. Die nachfolgenden praktischen Beispiele stehen stellvertretend für eine wesentlich größere Zahl an praktischen Gestaltungsschranken:
Haftung für Informationen
Die Haftung für Informationen, die im Rahmen der Geheimhaltungsvereinbarung geteilt werden, kann nach den § 309 Nr. 7, 8 BGB nicht ausgeschlossen und nur in engem Rahmen begrenzt werden.
Dies kann immer da zu Problemen führen, wo die geteilten Informationen einer aktiven Verwendung unterliegen, wie zum Beispiel bei Forschungs- und Entwicklungskooperationen. Stellt ein Vertragspartner im Anwendungsbereich im Rahmen einer Geheimhaltungsvereinbarung einem Entwicklungspartner Informationen aus der eigenen Forschung und Entwicklung zur Verfügung, die dieser für ihm obliegende Entwicklungsbeiträge im Rahmen einer Kooperation benötigt, so kann der Informationsgeber möglicherweise nicht garantieren, dass die so geteilten auch tatsächlich korrekt sind. Man stelle sich hierzu mitgeteilte Messwerte oder Angaben zu Verfahren vor. Werden diese Informationen vom Vertragspartner genutzt und entsteht diesem aus der Nutzung ein Schaden, etwa weil die Nutzung der mitgeteilten Parameter einen Versuchsaufbau beschädigen oder zum Ausfall einer Anlage führen, so kann die betroffene Partei für den erlittenen Schaden unter Umständen ein Ersatzanspruch zustehen. Das hier beschrieben Risiko kann in diesem Fall nicht effektiv durch eine weitreichende Haftungsbegrenzung oder einen Haftungsausschluss in einer formularvertraglichen Geheimhaltungsvereinbarung begrenzt werden, da entsprechende Regelungen nach den §§ 307, 309 BGB unwirksam wären. Als Lösungsmöglichkeiten bliebe hier, die Haftungsproblematik über eine entsprechend Ausgestaltung der Hauptleitung zu berücksichtigen oder den Sachverhalt mittels einer Individualvereinbarung, also einem nicht vorformulierten Vertragswerk, zu regeln. Im letzten Fall ist auch die wirksame Vereinbarung eines umfassenden Haftungsausschluss möglich.
Gegenstand und Inhalt der Geheimhaltungspflicht
Die Vereinbarung sollte so konkret wie möglich beschreiben auf welche Informationen oder Unterlagen sich die aus der Vereinbarung folgenden Geheimhaltungs- und Verschwiegenheitspflichten beziehen. Dazu sind Informationen und Unterlagen, für welche die Pflicht zur Verschwiegenheit und Geheimhaltung gelten soll, sind so konkret wie möglich zu benennen. Pauschale Bezeichnungen, wie „Alle im Rahmen der Geschäftsbeziehung mitgeteilten Informationen“, genügen nicht. Ferner sollte immer der Zweck bestimmt werden, zudem die im Rahmen der Vereinbarung offenbarten Informationen vom anderen Vertragspartner genutzt werden dürfen.
Praxishinweis:
Informationen, die im Rahmen der Vereinbarung offenbart werden und den Zweck, zu dem die offenbarten Informationen genutzt werden dürfen, so konkret wie möglich benennen.
Schutzmechanismen
Die Wirksamkeit einer Geheimhaltungs- und Verschwiegenheitsvereinbarung profitiert erheblich, wenn in der Vereinbarung effektive Schutzmechanismen festgelegt werden. Diese Mechanismen können die Frage der Art der Offenlegung, wie auch den Umgang mit den offen gelegten Informationen betreffen. So ist es bei der Vorbereitung von gesellschaftsrechtlichen Transaktionen, wie einer Übernahme, üblich, dass ein Beteiligter hoch sensible, gesellschaftsrechtlich, wettbewerbsrechtlich oder kartellrechtlich relevante Informationen dem anderen Partner zur Einsicht und Prüfung offen legt. Um den Informationsfluss zu kontrollieren, kann die Einsicht auf Unterlagen auf Arbeitsstationen in einem Raum und bestimmte namentlich benannte Personen beschränkt werden. Ähnliche Vorgehensweisen bieten sich auch im IT-Bereich an, wenn zum Beispiel im Rahmen einer Entwicklungskooperation der Partner einen begrenzten Einblick in Technologien, Protokolle oder Schnittstellen erhalten soll.
Haftung für Informationen
Gegenstand der Geheimhaltungsvereinbarung ist die Geheimhaltung bestimmter Informationen. Dies setzt voraus, dass dem anderen Teil zunächst Informationen bekannt werden, auf welche sich anschließend die Pflicht zur Geheimhaltung bezieht. Es ist durchaus möglich, mit einer Geheimhaltungsvereinbarung die vertrauliche Behandlung von Informationen zu vereinbaren, die anderweitig mitgeteilt oder bekannt geworden sind. Üblich ist hingegen der Fall, dass die Geheimhaltungsvereinbarung selbst Grundlage für die Mitteilung der geheim zuhaltenden Informationen ist und gegebenenfalls sogar einen Anspruch auf Mitteilung von Informationen gibt. In diesem Fall stellt sich die Frage, ob und in welchem Umfang der Informationsgeber für die im Rahmen der Geheimhaltungsvereinbarung mitgeteilten Informationen haftet.
Oft werden in diesem Zusammenhang Klauseln zur Haftungsfreistellung und Haftungsbegrenzung eingesetzt. Entsprechende Regelungen verfolgen den Zweck, die Haftung des Informationsgebers für die Richtigkeit der mitgeteilten Informationen zu begrenzen oder auszuschließen. Bei der Beurteilung der Wirksamkeit entsprechender Klauseln kommt es zumeist darauf an, ob die §§ 305 ff. BGB auf die Vertraulichkeitsvereinbarung anwendbar sind. Sofern dies der Fall ist, können Haftungsbeschränkungen nur in sehr engen Grenzen wirksam vereinbart werden. Klauseln wie „Die Haftung für die Richtigkeit der im Rahmen dieser Vereinbarung mitgeteilten Informationen wird ausgeschlossen.“ sind in der Regel unwirksam.
Als eine mögliche Gestaltungsalternative kann es sich anbieten, die Beschaffenheit der im Anwendungsrahmen der Geheimhaltungsvereinbarung aufzudeckenden Informationen und Angaben als Hauptpflicht zu behandeln, was jedoch eine entsprechend sorgfältige Leistungsbeschreibung voraussetzt.
Regelung zu pauschalisiertem Schadensersatz und Vertragsstrafen in Geheimhaltungsvereinbarung
Verstößt ein Vertragspartner gegen die ihm obliegenden Verschwiegenheitspflichten, zum Beispiel in dem er geheime Informationen weitergibt oder zweckwidrig verwendet, so steht dem anderen Vertragspartner hiergegen aus der Vereinbarung in Verbindung mit § 280 BGB Unterlassungs- und Schadensersatzansprüche zu. Jedoch hat der Geschädigte den ihm durch die Verletzung der Verschwiegenheitspflicht entstandenen Schaden nachzuweisen und konkret zu beziffern. Dies bereitet in der Praxis erhebliche Probleme und ist in bestimmten Fällen sogar unmöglich. Daraus folgt: Eine Geheimhaltungsvereinbarung ohne eine Regelung zu einer Vertragsstrafe oder einem pauschalisierten Schadensersatz ist in der Regel wertlos.
Um dieses Problem zu umgehen, sollte die Geheimhaltungsvereinbarung eine Vertragsstrafenregelung enthalten, durch die sich ein oder beide Parteien verpflichten, im Falle eines vertragswidrigen Verhaltens dem anderen Teil eine Vertragsstrafe zu zahlen.
Der Verletzte Vertragspartner kann dann im Falle eines vertragswidrigen Verhaltens des anderen Partners diesen auf Zahlung der Vertragsstrafe für jede einzelne Verletzung der Geheimhaltungsvereinbarung in Anspruch nehmen, ohne die Höhe des durch das vertragswidrige Verhalten entstandenen Schadens genau beziffern zu müssen. Praktisch ist dies eine erhebliche Erleichterung. Dem Gläubiger auch unbenommen, gegen den Vertragspartner Ansprüche auf Unterlassung und Zahlung von Schadensersatz geltend zu machen. Da Ansprüche auf Zahlung einer Vertragsstrafe und solche auf Zahlung von Schadensersatz letztendlich den gleichen Schaden betreffen, sind sie jedoch zu verrechnen. Der andere Vertragspartner kann nicht doppelt zur Kasse gebeten werden.
Problematisch ist häufig die Regelung zur Höhe der Vertragsstrafe. Hier bieten sich folgende Optionen an: Festlegung eines Pauschalbetrages, Bestimmung der Höhe der Vertragsstrafe nach Hamburger Brauch oder abgestufte Bestimmung mittels eines Strafkatalogs.
Formulierungsvorschlag „Hamburger Brauch“:
Im Falle einer Verletzung der in Ziffer xy benannten Pflichten, verpflichtet sich der Schuldner an den Gläubiger eine angemessene Vertragsstrafe zu zahlen. Die Höhe der Vertragsstrafe legt der Gläubiger fest. Der Schuldner kann die Höhe der Vertragsstrafe vom zuständigen Gericht prüfen lassen.
Beweiserleichterungen
Manchmal ist es sinnvoll, ergänzend zur Vertragsstrafenregelung, in die Geheimhaltungsvereinbarung eine Bestimmung für die Erleichterung des Nachweises von tatsächlich entstandenen Schäden aufzunehmen (sogenannte Beweiserleichterungsklausel).
Weitere Erwägungen
- Die Anwendung von § 248 Abs. 2 Satz 1 HGB auf alle im Rahmen der Geheimhaltungs- oder Verschwiegenheitsvereinbarung offenbarten Informationen sollte ausgeschlossen werden.
Schwerpunkte:
- Technologievertrieb, Schutz von Innovationen und Know-how
- Prüfung und Gestaltung von Geheimhaltungs- und Verschwiegenheitsvereinbarungen
- Durchsetzung von Ansprüchen aus Geheimhaltungs- und Verschwiegenheitsvereinbarungen